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Bericht Smiltene 2023

Camp in Smiltene 28.07.-06.08.2023

28.07.2023 (Freitag)
Anreisetag, leider beide Flieger mit Verspätung. Überraschung bei der Spedition in Pinki: nach
einigem Suchen fanden sich doch beide Palettten mit unserem Werkzeug.
Wir machten noch eine Besichtigung des Friedhofs. Er liegt im Wald nahe der Hauptstrasse. An
der Ost und an der Südseite führt ein Weg vorbei. Er ist tatsächlich sehr klein und die Aufgabe
scheint in einer Woche machbar. Er ist nicht zugewuchert. Merkwürdig einige Steine stehen mit
der Bildseite Richtung Osten, andere Richtung Westen. Auf der Ost- und Südseite gibt es einen
Erdwall, der an einer Seite unterbrochen ist. Es sollte dort ein Tor angelegt werden. Viele Steine
müssen aufgerichtet werden. Ein gemauertes Grabhaus muss repariert werden. Auf den ersten
Blick liegen die meisten Steine an der richtigen Stelle. Vielleicht sind einige Steine geklaut worden,
denn auf der Südseite liegen einige Sockel auf einem Steinhaufen. Es sieht nicht so aus, als ob
sehr viele Steine unter der Erde liegen.
Erstaunlich, Smiltene hat schon etwas Werkzeug in der Schule deponiert.

29.07.2023 (Samstag)
Wegen Shabat arbeiten wir nicht auf dem Friedhof. Wir machen einen Ausflug zum Nationalpark
Gauja.

30.07.2023 (Sonntag)
Wir verbreitern den Eingang. Die Überlegung im Moment ist, zwei V-Träger an den Seiten zu
machen und oben mit einem Querbalken zu verbinden.
Von Nachbarn bekommen wir Wasser. Es kommen zahlreiche Leute vorbei, aber leider spricht
niemand englisch oder deutsch. Da müssen wir schneller werden und mit dem Handyübersetzer
arbeiten.
Es gibt fünf klar erkennbare Reihen mit jeweils etwa 10 Steinen. Das Feld darunter ist ungeordnet
aber vielleicht noch einmal die gleiche Anzahl von Gräbern. Mithilfe unseres Restsacks Zement
können die ersten Steine Aufgerichtet und einbetoniert werden. Manchmal ist anhand der
Verbindung zwischen Sockel und Stein zu erkennen, wie rum ein Stein stehen muss (passt nur in
einer Richtung). Damit ist klar, dass die verschiedenen Richtungen von Anfang an so gewollt
waren. Die Frage ist warum.
Auch der grosse Stein der Familie Bass kann auf den Sockel gestellt werden. Unklar ist, was es
mit dem kleinen Kissen daneben auf sich hat (gleicher Name). Die Bass-Steine sind in Jiddisch
mit hebräischen Buchstaben. Es gibt offensichtlich mehrere Steine in Jiddisch.
Probleme bereitet uns das Grabhaus. Darin sind Fanta-Flaschen von 1995 zu finden, aber auch
zwei Oberschenkelknochen. Die Knochen sind offensichtlich jüngeren Datums, also jedenfalls
nicht von vor 1940. Wir werden morgen zunächst versuchen das Alter des Grabes zu ermitteln.
Die Meinung geht dahin, auf alle Fälle den Müll zu entsorgen und dann weiter zu sehen, bevor wir
die zerbrochene Wand reparieren.
Reihe A der letzte Stein hat keine Inschrift, aber einen dreiarmigen Leuchter.
Unser Bus hat eine Macke: es gibt bei höheren Drehzahlen Klopfgeräusch, aber keinen
Leistungsabfall und auch keinen Ölverlust. Drulle will den Bus am Montag tauschen.

31.07.2023 (Montag)
Vom Bauhof ist tatsächlich jemand da und sehr schnell haben wir den benötigten Zement.
Ausserdem besorgt wer Holzpfosten für das Tor. Da gibt es noch ein Idee, den Querbalken wie
einen Hausfirst zu gestalten. Einige fangen sofort an und gehen auch nach dem Mittagessen noch
einmal auf den Friedhof, um das Tor fertig zu machen.
Der grosse Stein A1 (Sacharov) wird aufgestellt. Es stellt sich heraus, dass eine Seite deutsch und
die andere hebräisch ist, mit jeweils unterschiedlichen Angaben.
Im unteren Teil des Friedhof gibt es 5 Steine, die dort offensichtlich zwischengelagert sind, aber
dann da liegen geblieben sind. Diese Stelle wäre einfach mit dem Auto zu erreichen gewesen.
Einen der Steine können wir tatsächlich einem Sockel gut 50m entfernt in Reihe A zuordnen. Da
wir noch einige Sockel haben, könnte das auch beiden restlichen klappen.
Einen wesentlichen Teil unserer Zeit nahm der Besuch von insgesamt 5 Polizisten mit 3
Polizeiwagen in Anspruch. Nachdem wir einen Teil des Mülls aus dem Grab geholt haben, haben
wir offensichtlich zwei Oberschenkel und mehre Rippen und weitere Knochen ungeklärter
Herkunft. Da alle Knochen oberhalb des Mülls lagen, ist die Frage von wann die Knochen sind.
Die ersten Polizisten haben sofort die Kriminalpolizei verständigt und die drei haben alle Knochen
in einen Leichensack gepackt und zur weiteren Untersuchung mitgenommen. Sie wollen die DNA
ermitteln und dann in ihren Unterlagen such, ob die mit einem Kriminalfall in Verbindung stehen.
Der übrige Müll interessierte sie weniger. Ausser Fanta-Flaschen und Bierflaschen fanden wir auch
Unmengen an Medikamenten, Fahrradteile, den Kopf einer Puppe, einen Briefkasten,
Teppichresten und vieles mehr.
Unsere Personalien wurden aufgenommen und man versicherte uns, dass wir in den nächsten
Tagen Nachricht kriegten, was sie rausgefunden haben.

01.08.2023 (Dienstag)
Das Tor wird mit einem Schutzanstrich versehen. Der Stein wird zusammengebaut und weiss
gestrichen. Beides soll morgen zusammengesetzt und aufgebaut werden.
Es werden noch weitere Steine aufgestellt, sodass die Reihen A-E soweit komplett sind, wie das
möglich ist.
Uns fällt auf, dass im unteren Teil (nach Reihe E) fast alle Steine als Verzierung zwei Leuchter
haben. Ob das eine besondere Richtung war, die deshalb zusammen aber abgesondert von den
übrigen beerdigt wurden?
Ein Nachbar kommt vorbei und erzählt, dass der Friedhof vor zehn fünfzehn Jahren überarbeitet
wurde (Vegetation rausgeschnitten). Das würde mindestens erklären, warum wir fast nichts
rausschneiden mussten.
Der vor ein paar Jahren gekauft Flaschenzug, der bisher wenig genutzt wurde, erweist sich als
sehr hilfreich z.B. um Fundamente gerade zu ziehen.
Nach der Arbeit fahren wir noch nach Rujiena, wo wir angefragt sind, den Friedhof zu machen.
Der Friedhof liegt auf freiem Feld ausserhalb des Ortes und leider regnet es fürchterlich. Zwei
Locals begleiten uns: ein Historiker aus dem Ort und ein Herr aus Riga. Der Friedhof ist leider sehr
verwildert. Wir können 5 Steine liegend sehen. Der Historiker meint es wären etwa 20 und weitere
unter der Erde. Im Buch von Meler sind allein fünf stehende Steine zu sehen.
Es ergeben sich viele praktische Fragen: ob die Stadtverwaltung ein solches Projekt unterstützen
würde, ob man einen landwirtschaftlichen Weg zu dem Friedhof anlegen würde (wir kämen sonst
nicht mit dem Werkzeug zum Friedhof), wo eine Unterkunft möglich wäre (die angebotene
Möglichkeit bei dem Historiker scheint uns nicht geeignet) und ob Jugendliche aus dem Ort
mitarbeiten würden.

02.08.2023 (Mittwoch)
Das Tor wird noch einmal abgeschliffen, weil uns die Farbe nicht gefiel und dann probeweise
eingesetzt. Es sieht mit dem Stern ziemlich gut aus.
Ansonsten werden auf dem unteren Teil die Steine gesetzt, einer muss morgen noch geflickt
werden. Die Nummern in den Reihen A und B werden dauerhaft angebracht und die Reihe A auch
schon fotographiert. Der „Müllhaufen“ mit den Fundamenten wird am Erdwall auf der Südseite
hingelegt. Eine Grabumrandung, die auf der Ostseite des Walls lag wird auf den Friedhof
zurückgezogen.
Leider macht uns der Regen zweimal zu schaffen.
Es bleiben noch Restarbeiten, die Karte und die Bilder und die Nummerierung.

03.08.2023 (Donnerstag)
Das Tor wird aufgestellt. Vor dem Tor stellen wir den Stein mit unseren Namen auf. Die letzte
Steine werden aufgestellt, bzw. repariert. Die Nummerierung und die Fotos werden komplettiert.
Es gibt auch im östlichen Teil einen Stein mit Leuchtern. Soweit wir es bei der Arbeit gesehen
haben ist das älteste Stein von 1895 und der jüngste von 1939. Wir haben keine Steine unter der
Erde gefunden.
Die Wege werden ausgearbeitet. Der Friedhof wird ausgemessen und kartiert. Das Gelände wird
aufgeräumt und alles eingepackt.
Am Nachmittag haben wir eine Videovernehmung durch die Staatsanwaltschaft wegen der
Knochenfunde. Das hat leider 50 min gedauert. Unserer Meinung nach völlig überflüssig, da die
Staatsanwältin noch nicht einmal die Fotos hatte, die die Polizei gemacht hat und Fragen stellte,
die überflüssig waren. Wir hatten angegeben, dass der Friedhof 1940 geschlossen wurde und sie
fragte nach aktuellen Beerdigungen.

04.08.2023 (Freitag)
Die letzten drei Aufnahmen werde noch gemacht. und kleinere Aufräumarbeiten.
Von der deutschen Botschaft kommt niemand zur Eröffnung, aber die aktuelle israelische
Botschafterin, vier Personen von der jüdischen Gemeinde bzw. dem Museum, der Bürgermeister
und Madara, die für uns zuständig war.
Eine Frau von der jüdischen Gemeinde findet einen Stein von 1867. Das ist früher als gedacht,
weil der Friedhof laut Buch von Meler erst eröffnet wurde.

05.08.2023 (Samtag)
Abreisetag: wir geben das Werkzeug zurück.

06.08.2023 (Sonntag)
In Riga besichtigen wird das Ghettomuseum und die Synagoge.