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Bericht Subate 2021

Camp in Subate 01.08.2021-15.08.2021

 

01.08.2021 Sonntag Flug nach Riga, Transfer nach Subate

 

02.08.2021 Montag

Wir holen unser Werkzeug ab (es ist noch sehr viel da, aber leider nicht alles) und danach inspizieren wir den Friedhof. Der neue Mauer steht jeweils an den beiden Strassen um beide Teile des Friedhofs, weit vor der alten Markierung. Die Stadtverwaltung hat alles gemäht und viele Sträucher rausreissen lassen. Die Anzahl der Gräber ist deutlich höher als wir in Erinnerung hatten. Auf dem chassidischem Teil gibt es zwei Stellen, an denen viele Grabsteine umgefallen sind.

Wir entscheiden zunächst diese beiden Stellen zu bearbeiten beginnend von der Westseite. Die Idee, die alten Zaunpfosten rauszureissen, wird verworfen. Auf Anhieb finden wir einige Steine. Zwei davon werden auch schon aufgerichtet. Andere Steine werden gesäubert.

Im Unterschied zu anderen Friedhöfen sind hier nicht Mücken sondern Fliegen lästig. Den Flaschenzug bekommen wir ans Arbeiten. Aber leider macht Regen ab 12:00 die Arbeit unmöglich, sodass wir nicht mehr probieren können, ob er uns hilft, Grabsteine aufzurichten.

 

03.08.2021 Dienstag

Morgens kommen zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Sie fällen vier Bäume, sodass wir Hebel und Rollen bekommen. Ansonsten haben sie nicht das grosse Interesse mitzuarbeiten. Sie machen früh Pause und kommen erst nach unserer Mittagspause zurück, um uns mitzuteilen, dass sie Zement nicht besorgen können. Wahrscheinlich kriegen wir von unserem „local coordinator“ Valentina einen Schein, um in Daugapils in einem Baumarkt günstiger einkaufen zu können.

Um 12:00 treffen die beiden Israelis ein, orthodox und älter als gedacht. Aber sie bringen sich mit ihrer Arbeitskraft sehr gut ein, erstaunlich mit den weissen Hemden. Da das Wetter gut ist, beschliessen wir auch nach dem Mittagessen noch 1,5 Stunden zu arbeiten.

Wir können 18 Steine aufrichten, sicher 14 davon wurden unter der Erde aufgespürt. Die Inschriten der Steine, die unter der Erde lagen sind auffallend gut. Und mehrere unserer Teilnehmer können mit Hilfe der Tabelle sehr schnell feststellen, ob Mann oder Frau und das Todesdatum entziffern. Der älteste Stein bisher ist von 1852. Bei manchen Steinen gibt es eine Diskussion mit den Israelis, und offensichtlich haben wir fast immer die bessere Deutung.

Beide haben schon Friedhöfe in der Ukraine gemacht und sie staunen über unsere Ideen bei der Arbeit. Beeindruckt sind sie von der Rasierschaummethode zur Sichtbarmachung der Inschriften und der Sonde zu Aufspüren von Steinen unter der Erde. Und sie lernen, dass man die Bildseite der Steine wegen der Zerstörung nicht mit den Stahlbürsten bearbeitet.

Wir werden morgen beginnen ganz am Anfang des Friedhofs Linien in die Karte, die wir von der Stadtverwaltung bekommen haben, einzuzeichen, um so die Lage der Grabsteine zu kennzeichnen. Danach können die Steine Nummern bekommen. Es soll zwei Tage trockenes Wetter geben.

Kurz vor dem Mittagessen gehen wir zu ersten Erschiessungsstätte. Valtenina nimmt Kontakt zur einer Überlebenden der Erschiessungen auf und fragt, ob wir mit ihr ein Gespräch führen können.

 

04.08.2021 Mittwoch

Die Israelis kommen wieder um 10:00 und hängen sich sofort in die Arbeit. Wir kommen wieder gut voran. Über 10 Steine werden gefunden und aufgerichtet. Aber der Eindruck ist, dass noch 50 Steine unentdeckt unter der Erde liegen. Im hinteren Teil sind auf alle Fälle ein paar schwere Mamorsteine dabei. Hier scheinen nach dem Krieg deutlich weniger Steine geklaut worden zu sein, als wir sonst gesehen haben.

Wir finden einen Stein für ein Kind. Ansonsten geht die Identifizierung der Steine mit der Tabelle immer besser. Erstaunlich, da niemand aus der Gruppe vorher eine Ahnung von Hebräisch hatte.

Moshe möchte unbedingt die beiden Baumwurzeln entfernen. Zum Glück kommen die beiden „Kettensägenletten“ wieder vorbei und er kann sie überzeugen, dass das eine gute Arbeit ist. Leider schaffen sie nur eine Wurzel, aber die gibt einen Stein frei, den wir sonst nicht hätten dokumentieren können. Vielleicht kommen sie ja morgen wieder und morgen sind ja auch die Israelis noch dabei.

Am Nachmittag kriegen wir ein Zement/Sand-Gemisch, sodass morgen das Fundamentieren beginnen kann. Dann kriegen wir die vielen Stützen aus dem Gelände, die im Moment noch die Steine absichern.

Wir treffen erste Überlegungen zur Karte. Die wir von der Stadtverwaltung bekommen haben ist zu klein. Wir vergrössern den Teil, auf dem wir arbeiten auf das Fünffache. Da die Steine mehr oder weniger in Linien stehen, werden auf den Plan die Linien mit den Nummern der Steine stehen.

Wir stecken Im vorderen Teil ein Feld ab, in dem wir auf alle Fälle arbeiten wollen (vielleicht bis Reihe 25). Der Plan und die Zementfundamente werden die nächsten zusätzlichen Aufgaben sein, wenn das Wetter trocken ist.

 

05.08.2021 Donnerstag

3 lettische Jugendliche, Eriks, Juris und Jekubs, warten auf uns am Friedhofstor. Sie bringen viel Kraft mit und stellen sofort fast ohne Hilfsmittel ein paar Steine auf. Hoffentlich geht das nicht auf den Rücken.

Die Israelis kommen wieder um 10:00. Sie möchten gerne ein paar Steine aufrichten in dem Bereich, wo ein Rubanenko-Stein steht in der Hoffnung weitere Steine der Familie zu finden. Es gibt im hinteren Teil, den wir nicht mehr schaffen werden, von mehreren Familien zwei Steine (z.B. Friedmann, Getz). Von Rubanenko finden wir keine weiteren Familiensteine. Die Steine werden jetzt nur so gedreht, dass die Bildseite zu sehen ist, oder provisorisch aufgerichtet. Ein Stein ist dabei, auf dem Mutter und Sohn verzeichnet sind, allerdings zwei Gräber.

Ein Zementteam beginnt mit den Fundamenten. Ebenso gibt es einen Entwurf zur Karte in den ersten acht Reihen. Der gebrochene Stein wird geflickt und kommt morgen an den richtigen Ort.

Leider verlassen uns die Israelis heute. Sie waren eine echte Hilfe und wir haben beide viel voneinander gelernt. Ascher sagte wir wären die ersten Deutschen mit denen er inhaltlich über längere Zeit diskutieren konnte. Mit Moshe hatten wir gute inhaltliche Diskussionen, weil er verständlicherweise besser Hebräisch konnte. Aber wir konnten ihm klarmachen, dass auf diesem Friedhof mehr nach Jahreszahlen beerdigt wurde, als – wie er es kannte – nach Familien.

Wir gehen inzwischen davon aus, dass auf vielen Freiflächen zwischen den Gräber viele weitere Gräber liegen und dann eben auch Grabsteine unter der Erde. Die meisten Steine sind ursprünglich nur in den Sand gesetzt, tiefer als wir es von anderen Friedhöfen kennen.

 

06.08.2021 Freitag

Auch heute sind die drei lettischen Jugendlichen wieder dabei. Das hilft uns, da drei starke Hände zusätzlich oft viel bewirken. Die Drei haben einen eigenen Stil, ohne Hilfsmittel und ohne Vorarbeiten die Steine einfach hochdrücken. Sie bringen die Harken mit. Das wird helfen die Löcher zu füllen, die entstehen, wenn Grabsteine aufgerichtet werden.

Die Steine, die wir gestern zementiert haben, stehen mehr oder weniger gut

Bei einem Stein, der in einen Baum eingewachsen ist, geht unser Flaschenzug kaputt (zum Glück ohne Unfall) und auch „Lettenpower“ hilft nicht weiter. Den Stein werden wir nur unzureichend dokumentieren können, weil der Baum die Sicht versperrt.

Der rote Mamorstein der Famile Getz gehört mit ziemlicher Sicherheit auf den roten Sockel. Beide haben wir umgefallen gefunden. Die Spuren auf dem Sockel haben genau die Grösse des Steins. Allerdings liegen zwischen beiden sicher 20m. Unsere Vermutung ist, dass jemand den Stein klauen wollte, aber er dann doch zu schwer war, um ihn bis zum Ausgang zu bringen. Vielleicht kriegen wir mit lettischer Hilfe die beiden Teile wieder zusammen.

Wir zementieren solange wie es möglich ist, denn um 14:00 ist Regen angesagt. Um alle Steine, die wir gefunden haben, zu zementieren, brauchen wir wohl noch acht Säcke Fertigbeton. Aber soviel können wir nicht schaffen. Aber Rubanenko hat sich gemeldet und grundsätzlich steht von ihm aus einer Fortsetzung 2022 nichts im Wege.

 

07.08.2021 Samstag

Wegen Shabat sollten wir nicht arbeiten. Wir fahren nach Daugapils.

 

08.08.2021 Sonntag

Angesichts der Wetterprognose (fast die ganze Woche Regen) entscheiden wir heute zu arbeiten. Aber wenigstens soll es diese Woche nicht so kalt sein wie die letzte (teilweise nur 15 Grad).

Heute wir viel betonniert (12 Steine). Wir brauchen neuen Zement. Vier Steine werden für die Zementierung vorbereitet. Für den Plan teilen wir unseren Arbeitsbereich in Felder auf (4mx4m), die in die Karte übertragen werden. Für den Weg am Eingang sollen wir Holzspäne bekommen.

Eine Zecke wurde gesichtet, aber rechtzeitig abgewehrt. Auf dem Friedhof sind sehr viele Frösche aller Grössen. Ein Besucher aus Cesis kommt vorbei und lobt das Engagement.

 

09.08.2021 Montag

Heute sind wieder die drei Letten da. Sie drehen mehrere Steine in die richtige Position und richten auch zwei auf. Sie schaffen den „Getz-Stein“ zum Sockel. Später finden wir einen zweiten Sockel, der auch zum „Getzstein“ passen könnte, aber das werden wir jetzt nicht mehr ändern. Gemeinsam schaffen wir es einen Stein unter der Baumwurzel rauszuziehen. Die vorletzte Baumwurzel wird rausgeschafft und kommt zwischen beiden Friedhofsteilen zu vorläufigen Lagerung. An vielen betonierte Steinen werden die Fundamente mit Erde zugedeckt. 

Die Kartographierung kommt gut voran. Im vorderen Teil (so bis Reihe 12) sind fast alle Steine erfasst, knapp über 50, sodass es für den ganzen Friedhof wahrscheinlich über 200 ergibt. Es gibt Vermutungen, dass in den Lücken der einzelnen Reihen         noch Steine liegen, aber die Nachforschungen haben bisher nichts ergeben.

Wir bekommen noch einmal 200kg Fertigbeton. Das sollte für die verbleibende Zeit reichen.

Am Schluss des Tages kommt ein Nachbar, der leider nur russisch spricht, wahrscheinlich angetrunken und bietet offensichtlich seine Hilfe an. Darauf müssen wir verzichten. Heute fahren viele Autos auf der Strasse auffallend langsam, wohl um zu sehen, was auf dem Friedhof passiert.

Abends sind wir Valentina und bekommen die Boote ausgeliehen und sind dann zum Abendessen eingeladen. Sie erzählt dass die Grenzen zu Litauen und Belorus praktisch geschlossen sind, weil die Kontrollen so langwierig sind.

 

10.08.2021 Dienstag

Heute ist den ganzen Tag Sonne angesagt. Da es morgen den ganzen Tag regnen soll, arbeiten wir bis 17:00 Uhr.

Die drei Letten sind wieder dabei und sie werden heute überwiegend zementieren. Den Stein unter der Wurzel kriegen wir nicht raus. Er bleibt so liegen, dass er fotografiert werden kann. Wir finden einen vierten Stein von Familie Getz. Dann finden wir einen Stein, auf dem zwei Beerdigungen vermerkt sind, zwei Männer, einer unverheiratet und beide aus der gleichen Familie. Aber wir kriegen auf die Schnelle nicht raus, wie sie zusammenhängen.

Die versprochenen Holzspäne kommen in zwei Lieferungen und wir bekommen damit den Weg vom Tor auf den Friedhof hin, etwa 50 m. Das ist ganz viel für die Optik und macht das Gehen einfacher, weil alle Gestrüppreste darunder verschwinden und hoffentlich so schnell nicht wieder durchkommen. Morgen soll noch eine Lieferung kommen.

Die Karte ist fast fertig. Die ersten Steine sind nummeriert. Es fehlt jetzt nur die Dokumentation. Und so könnten wir tatsächlich die Hälfte des chasisidischen Teils schaffen. Wir werden eine Änderung gegenüber früheren Camps machen. Von jedem Stein eine Aufnahme von der Seite mit der Nummer und eine zweite von vorne. Acht  Steine müssen noch zementiert werden.

Im Eingangsbereich legen wir links vom Weg einen Feldstein mit unseren Namen (inklusive der Israelis und der Letten) und dem Jahr 2021.

 

11.08.2021 Mittwoch

Wieder zusammen mit den drei Letten und es regnet zunächst nicht. Valentina berichtet, dass die Frau, die die Erschiessungen erlebt hat, zur Zeit nicht ansprechbar ist. Sie ist 93.

Wir bekommen noch einmal Holzspäne für den Weg. Leider müssen wir die mit der Schubkarre weit auf den Friedhof transportieren. Die letzten Steine bis Reihe 20 werden zementiert und auch die Karte wird fertig. Die ersten fünf Reihen sind fotografiert. Leider sind am Anfang sehr viele Steine, die eingeschäumt werden müssen. Das hält ziemlich auf. Über einem Grabstein steht statt hier ist beerdigt: Zion ist Heimat für die Seele. Wir entscheiden, dass wir bis Reihe 19 alles fertig machen. In Reihe 20 gibt es so grosse Lücken, dass da noch Steine sein können. Jetzt müssen nur noch an allen Steinen die Erdlöcher wieder gefüllt werden. Aber das heisst, dass wir bis Reihe 20 fertig werden, selbst wenn morgen wie angekündigt durchgängig Regen ist.

Wieder viele Leute aus Subate, die langsam fahren, um zu gucken oder anhalten und fragen. Heute sind die Letten am Tor mit den Holzspänen beschäftigt, sodass es keine Sprachprobleme gibt.

Nach unserer Mittagspause beginnt ein Gewitter mit Starkregen.

 

12.08.2021 Donnerstag

Heute sogar mit 4 Letten. Das könnte an dem TV-Team liegen.

Wir prüfen die Standfestigkeit der Steine. Einer ist problematisch und er wird mit zusätzlichen Steinen befestigt, da der Zement aufgebraucht ist. Wir bemühen uns alle Löcher zum Teil mit Erde von ausserhalb des Friedhof aufzuschütten.

Viele Steine werden geschäumt und alle fotographiert. Die Vollzähligkeit der Aufnahmen werden wir heute abend noch kontrollieren und dann können wir morgen gegebenenfalls noch nachfotographieren. Mit zwei Aufnahmen pro Stein geht es natürlich viel schneller. Wir fotographieren mit 4 Handys. Es wird spannend, wie das mit dem Zusammensetzen geht.

Es gibt noch Beobachtungen im hebräischen Text: in Reihe 17-19 sind nur Frauen und dann nach Todesdatum beerdigt. In der Headline des Steines gibt es ausser den bisher bekannten „hier ist beerdigt“ und „Zion“ auch „Gebot/Weisung“ und auf einem Stein findet sich dort auch der Name des Mannes. Besonderheit auf diesem Friedhof: hinter dem Todesjahr findet sich noch die Bemerkung „hier beerdigt“ oder eine Abkürzung dafür.

In dem Teil, den wir bearbeitet haben, haben wir die Zahl der sichtbaren Steine vervierfacht. In dem zweiten Teil wird es ähnlich sein. Auf dem Mitnagim-Teil könnten es erheblich weniger sein.

Das angekündigte TV-Team kommt leider nicht.

Glücklicherweise setzt der Regen heute erst mit dem Ende der Arbeiten ein. Alles Werkzeug lagern wir wieder im Kulturhaus.

 

13.08.2021 Freitag

Heute findet die lokale Eröffnungsfeier statt. Wir hängen nur noch die Flaggen von Lettland, Israel und Deutschland auf.

Dan Rubanenko und seine Assistentin Kristine Kanape sind schon da. Sein Mitarbeiter Sergej bringt die beiden Infotafeln an. Überraschend taucht Baruch Chauskin auf (Kantor in Osnabrück). Er ist zur Zeit in Vishki und er wird später das Shofar blasen, ein Gebet sprechen und singen. Ausserdem kommt die Bürgermeisterin und verschiedene Ortsgrössen, eine Architektin vom Bauamt im Kreis Daugapils und der Historiker Rochko und auch die drei lettischen Jugendlichen sind dabei.

Wir gehen gemeinsam über den Friedhof und dann auch noch zu den beiden Erschiessungsplätzen. Beide Stätten sind gestern frisch hergerichtet worden.

 

14.08.2021 Samstag

Die Fahrt nach Riga unterbrechen wir um den Friedhof in Gostini (unser erster aus 2005) zu besichtigen. hat leider nicht geklappt. Übernachtung im Daugava-Hotel von Dan Rubanenko.

 

18.08.2021 Sonntag

Treffen im jüdischen Museum mit Gita Umanowska, Gespräch mit der stellvertretenden Botschafterin per Zoom, koscheres Essen in der Cafeteria des Museums

Rückflug nach Deutschland

 

Alena, Mia, Luca, Christian, Kati, Klaus,

Moshe (IL), Asher (IL),

Eriks (LV), Jekaps (LV), Juris (LV)